Armenien/Aserbaidschan


"Seltsame Allianzen um Berg-Karabach – und Europa schaut zu"

"In den letzten Monaten zeichnete sich im Südkaukasus die Entstehung von Koalitionen ab, die man bislang kaum für möglich gehalten hätte. Mit stillschweigender Duldung durch die Europäer setzt Aserbaidschan seinen Nachbarn Armenien militärisch unter Druck und bereitet den Boden für eine erneute Aggression vor. Zweifellos wäre die Türkei dabei behilflich. Mittlerweile müssen die Menschen in Armenien und Berg-Karabach um ihre nackte Existenz fürchten. Derweil spielt die Europäische Union erneut eine seltsame Rolle.(...)

Inzwischen sind auf den ersten Blick seltsame Allianzen im Südkaukasus entstanden: Da muss das christliche Armenien bei den schiitischen Islamisten in Teheran um Hilfe nachsuchen, um sich gegen das schiitische und autoritäre Aserbaidschan zu wehren, das mit dem NATO-Mitglied Türkei und dem jüdischen Staat Israel zusammenarbeitet.

Noch deutlicher lässt sich die Absurdität westeuropäischer Sanktionspolitik nicht formulieren.(...)

Und was tut die Europäische Union in dieser Lage? Sie entsendet eine Mission in den Südkaukasus, welche den genauen Grenzverlauf zwischen Armenien und Aserbaidschan dokumentieren soll. Es bleibt zu hoffen, dass die Mission ihre Arbeit abschließen kann, solange die armenisch-aserbaidschanische Grenze in ihrer heutigen Form noch existiert."

globalbridge.ch, Ralph Bosshard, 28. Dezember 2022


Armenien und Aserbaidschan einigen sich bei Spitzentreffen in Sotschi auf "keine Gewalt"

Nach den Gesprächen unter russischer Vermittlung haben die beiden seit Jahrzehnten verfeindeten Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan in einer gemeinsamen Erklärung Abstand von Gewalt beim Streit um die Grenzregion Berg-Karabach genommen.

Baku und Jerewan einigten sich am Montag in der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi darauf, "keine Gewalt anzuwenden" und "alle Streitigkeiten ausschließlich auf der Grundlage der Anerkennung der gegenseitigen Souveränität und der territorialen Integrität beizulegen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Stern.de, AFP, 31.10.2022, 21:25


«Armenier, rennt nicht davon, ihr werdet nur müde sterben»

"Armenier fürchten sich vor einer ethnischen Säuberung ihrer Landsleute auf Berg-Karabach – und zugleich vor neuen geostrategischen Verwerfungen. 

Ob in der Ukraine, in Gaza oder auf Berg-Karabach: Der Phantasie eines jeden Machthabers, mit dem Leid und den Alpträumen der Menschen beliebig umzugehen, scheinen heutzutage keine Grenzen mehr gesetzt zu sein.

«Armenier, rennt nicht davon. Ihr werdet nur müde sterben».

Dieser Spruch schmückt die Abzeichen aserbaidschanischer Militärkommandos, die seit kurzem um das kleine, von Armeniern bewohnte Berg-Karabach eingesetzt werden. In der Mitte des Abzeichens ist Ismail Enver Pascha abgebildet. Für Leser, denen die Geschichte der Region nicht ganz vertraut ist: Ismail Enver Pascha war als mächtiger Verteidigungsminister des Osmanischen Reichs beim Vernichtungsfeldzug gegen die christlichen Minderheiten seines Landes führend. Rund 1,5 Millionen Armenier gingen zwischen 1915 und 1918 elendiglich zugrunde; es handelte sich um den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts in diesem makabren Ausmaß, laut dem Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel «um einen Holocaust vor dem Holocaust». (...)"

globalbridge.ch, Amalia van Gent, 10. August 2022


"Text des Abkommens über die Einstellung der Feindseligkeiten in Bergkarabach"

"Erklärung des Präsidenten der Republik Aserbaidschan, des Premierministers der Republik Armenien und des Präsidenten der Russischen Föderation. (gemäß dem auf der Website der kremlin.ru veröffentlichten Text)

(1) Ein vollständiger Waffenstillstand und alle Feindseligkeiten in der Konfliktzone Bergkarabach werden ab 00:00 Uhr Moskauer Zeit am 10. November 2020 erklärt. Die Republik Aserbaidschan und die Republik Armenien, nachstehend "Vertragsparteien" genannt, beziehen sich auf ihre Standpunkte. (...)"

bbc.com, 10. November 2020


Bergkarabachkonflikt

Der Bergkarabach­konflikt ist ein Konflikt der Staaten Armenien und Aserbaidschan um die Region Bergkarabach im Kaukasus. Der Konflikt trat in der Moderne erstmals zur Unabhängigkeit der beiden Staaten nach 1918 auf und brach während der Endphase der Sowjetunion ab 1988 neu aus. Infolgedessen erklärte sich die Republik Arzach (bis 2017 Republik Bergkarabach) für unabhängig, wird bisher international aber von keinem Mitgliedstaat der Vereinten Nationen anerkannt. Sie konnte sich in einem bis 1994 andauernden Krieg mit armenischer Unterstützung gegen Aserbaidschan behaupten und Gebiete besetzen, die ihr ursprüngliches Territorium umgeben.

In einem weiteren Krieg im Jahr 2020 konnte Aserbaidschan diese Gebiete sowie Teile des Kernlandes von Bergkarabach zurückerobern. Im Zuge des Konflikts, in dem auch frontnahe Orte in Aserbaidschan, Arzach und Armenien bombardiert wurden, kamen insgesamt mindestens 9.000 Menschen ums Leben, darunter vorrangig Soldaten der beiden Konfliktparteien. Zudem werfen sich beide Kriegsparteien Kriegsverbrechen, wie den gezielten Beschuss ziviler Einrichtungen und den Einsatz von Streubomben, sowie die Zerstörung von Kulturgütern vor. Etwa 100.000 Menschen flohen während des Krieges aus Arzach.

Auch nach Abschluss des Waffenstillstands kam es wiederholt zu Zusammenstößen und Schusswechseln zwischen aserbaidschanischen und armenischen Einheiten, sowohl an der Waffenstillstandslinie als auch an der neuen und alten, international anerkannten Staatsgrenze. Im Mai 2021 eskalierten diese zum armenisch-aserbaidschanischen Grenzkonflikt, der sich nun an der Staatsgrenze und auch außerhalb der Region Bergkarabach abspielt.

Seitdem kommt es häufiger zu bewaffneten Auseinandersetzungen an fast allen Abschnitten der Grenze. Bei den bisher schwersten Auseinandersetzungen Mitte September 2022 starben über 200 Menschen.

Die Reihe von Demonstrationen der armenischen Opposition gegen die Politik der Regierung setzte sich am 5. November fort und es wurde erneut gefordert, die Selbstbestimmung der Armenier in Bergkarabach sicherzustellen. Während von armenischer Seite in den folgenden Tagen erneut Verhandlungsbereitschaft signalisiert, aber mehr Zeit dafür gefordert wurde, warf Alijew Armenien erneut die Nichterfüllung von Punkten des Waffenstillstands vor. Er drohte mit erneuter militärischer Gewalt zur Durchsetzung der aserbaidschanischen Forderungen, wie sie schon im September erfolgt war, um für die aserbaidschanische Armee strategisch wertvolle Stellungen zu erobern. Paschinjan warf Alijew daraufhin die Vorbereitung eines Genozids an den Armeniern in Bergkarabach vor, indem er unter fiktiven Vorwänden den Latschin-Korridor schließen und damit die Armenier dort einkesseln wolle. Aserbaidschan wies dies wiederum zurück und hielt Armenien Völkerrechtsverletzungen in der Vergangenheit in Bergkarabach vor. Es folgten Gespräche zwischen den armenischen und aserbaidschanischen Regierungen mit Russland, den USA und der EU, in denen zu einer Deeskalation gedrängt und weitere Verhandlungsschritte beraten wurden. Am 22. November erklärte dann der zuständige Berater der US-Regierung, dass man die Minsk-Gruppe für nicht mehr funktionsfähig hält und man über diese keine Ergebnisse mehr erreichen könne.

vgl. de.wikipedia.org, Bergkarabachkonflikt, 03.01.2022