Rede gegen den Krieg
Wichtigste Rede gegen Krieg heute | Most important Speech against war today
Eugen Drewermann, 10.07.2022
Rede gegen den Krieg von Eugen Drewermann, Deutschlands bekanntester Pazifist, vom 21. Mai 2022, Humboldt Universität, Berlin, auf dem Kongress "Ohne NATO leben - Ideen zum Frieden" der Deutschen Friedensbewegung.
Speech against war by Eugen Drewermann, Germany's most prominent pacifist, May 21, 2002, Humboldt University, Berlin, during the Congress "Living without NATO - Ideas for Peace" of the German Peace Movement.
With permission by the organizers @Der Rote Platz, https://frieden-links.de/; With thanks to @IPB International Peace Bureau
Vollständiger Text der Rede, Transkription von Karl-Heinz Peil
Die Rede sollte man unbedingt im Ganzen anschauen, nur ein paar Ausschnitte aus der Transkription von Karl-Heinz Peil habe ich hier aufgeführt:
"Rund um die Uhr werden wir beschallt, beeindruckt und in eine Kampagne der Zeitenwende hineingezogen, in der man uns beibringt, dass alles, was seit 1945 in Richtung Frieden versucht worden ist, ein einziger Fehler gewesen sei. Egon Bahr und Willy Brandt und die Ost-West-Versöhnung, falsch! Frieden schaffen mit weniger Waffen, Helmut Kohl, falsch!"
"Am 3. April wurde im ZDF im Spätprogramm das Bild einer Ukrainerin gezeigt, die in Butscha ihren Sohn verloren hatte. Eine Frau, aufgelöst in Tränen und Verbitterung. Der Junge war 27 Jahre alt, als er etwa 500 m weit zu seiner Arbeitsstätte gehen wollte und dabei erschossen wurde. Jetzt liegt er in dem Raum dieser Frau. Sie hat über ihn einen Teppich gebreitet. Und verzweifelt schreit sie: „Die sollen alle dahin, wo mein Junge hinkommt, unter die Erde!“ Man kann die Not, die Traurigkeit, die Wut, die Hilflosigkeit dieser Frau mehr als gut begreifen.
Aber was macht eine Politik daraus, die die Verzweiflung und das Leiden der Menschen dazu benutzt, einen sinnlosen Krieg immer weiter zu verlängern mit immer mehr Waffen, die geliefert werden?"
"Wir Menschen sind nicht darauf eingerichtet, Soldaten zu werden. Sähen wir, was man uns befiehlt zu tun, wir würden es nicht tun.
Harold Nash war als Bomber-Pilot der Royal Air Force am Angriff unter Marshal Harris im Juli 1943 an der „Operation Gomorrha“ gegen die Hansestadt Hamburg beteiligt. In einer einzigen Nacht in Hammerbrook starben mehr als 40.000 Menschen, denen mit den Stabbrandbomben der Sauerstoff aus den Bunkern gezogen wurde. Harold Nash beschreibt seinen Eindruck so:
„Es lag unter uns wie ein schwarzes Band aus Samt, bestickt mit Perlen. Aber wir wussten, dass das, was wir dort unten anrichten, schlimmer ist als Dantes Inferno. Aber wir sahen ja nur Brände, wir sahen ja keine Menschen. Sonst hätten wir das nicht tun können.“
Mit einem Wort: Was wir Krieg nennen, was wir Militär nennen, ist das Untergraben von allem, was Kultur bedeutet.
Erich-Maria Remarque konnte 12 Jahre nach dem sogenannten Ersten Weltkrieg in seinem Buch „Im Westen nichts Neues“ genau das beschreiben: Wenn das - damit meinte er Artilleriefeuer, Bajonettangriffe, Handgranaten, Giftgas, Panzerketten, Typhus - wenn das möglich war, war alles umsonst, was wir von Platon bis Schopenhauer jemals als Kultur bezeichnet haben.
Das Militär ist die Gegenwelt zur zivilen Welt.
Alles das, was Ihnen verboten wird zu tun: Lügen, Töten, Brandschatzen, Rauben, Morden, wird im Krieg als befohlene Strategie geübt und ganz normalen 18-jährigen Jungen und jetzt sogar Mädchen aufgezwungen.
Und die Bundeswehr hier in Berlin wirbt mit der Aufschrift auf den Omnibussen: „Mach, was wirklich zählt!“"
"Wie inhuman muss man sein, um diese Propaganda zu akzeptieren?
Sie schaukelt durch die Berliner Straßen und sie verdient jede Art des Widerspruchs.
Remarque konnte auch sagen, wie man dahin kommt, Soldat zu werden:
"6 Wochen Kasernenhof haben genügt, dass wir vor einem ehemaligen Postboten, nur weil er die richtigen Epauletten trägt, durch den Schlamm robben und jeden töten, den er befiehlt zu töten."
"...Das war 1970 im Vietnam-Krieg unter General Westmoreland das ‘body-counting’ jeden Tag.
Welche Einheit hat wie viele Tote nummerierbar zur Strecke gebracht?
Dafür gab es Prämien. effizient morden, weil es zählt."
"Wir sind Bestien geworden, Mörder geworden. Käme dein eigener Vater von drüben, du würdest ihn mit deiner Handgranate zerfetzen. Das hat man aus uns gemacht."
Wie es geschieht, können Sie bis heute in jedem Lehrbuch jedes Kasernenhofs von jedem Staat der Erde beobachten:
Die Entseelung des Körpers zu einer bloßen Marionette.
„Die Augen geradeaus! Links schwenkt! Marsch!“
"Das alles ist so sinnlos, dass der Zweck umso deutlicher wird: Die Angetretenen sollen nicht denken.
Sie sollen aufhören, ein persönliches Gewissen zu haben."
"Das ist die wirkliche Auseinandersetzung, vor der wir heute stehen, mehr denn je.
Es ist nicht möglich, Mensch zu bleiben und sich dahin trainieren zu lassen, Soldat zu werden. Beides geht nicht ineinander!
Kein geringerer als Albert Einstein hat das in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts schon gesagt."
"Nach den Wettermeldungen wurde der Pulk gelenkt auf Hiroshima. Und um 8.15 Uhr mit einer einzigen Bombe starben mehr als 100.000 Menschen in wenigen Sekunden.
Damals hielt die Welt den Atem an.
Karl Barth, ein Schweizer Theologe, sagte:
„Wir müssen über Krieg nie mehr reden. Es kann keinen Krieg mehr geben.
Er ist das Unrecht schlechterdings. Hiroshima ist das Ende dessen, was je Krieg geheißen hat.“
Was man nicht ahnte: 14 Tage später schickten die Amerikaner ihre Kamerateams in die Trümmerlandschaften von Hiroshima, um alles aufzunehmen. Nicht um das Grauen zu dokumentieren und es in Ewigkeit unmöglich zu machen, nein, um herauszufinden, in welchem Abstand die Druckwelle, die Strahlenwelle, die Hitzewelle Menschen verstrahlt und zerstört hatte, um beim nächsten Mal es besser, effizienter machen zu können. Und so ging das weiter..."
"...Immanuel Kant vor über 200 Jahren konnte sich das vorstellen. Wenn der eine Staat rüstet, macht er dem Nachbarstaat Angst und der wird auch rüsten. Und die Spirale der Gewalt wird immer weiter eskalieren. Am Ende sind die Ausgaben für die Rüstung so teuer, dass man Krieg führen muss, damit es sich rentiert. Schon Montesqieu konnte angesichts der Rüstungspolitik der Preußen sagen, wir haben inzwischen mehr Waffen als Nahrungsmittel. Wir heute haben 60 Millionen Flüchtlinge, Binnen-Flüchtlinge allein in Afrika. Aber wir müssen 100 Milliarden schon mal für Rüstung versprechen in der nächsten Zukunft, für die nächsten zwei Jahre.
Haben Sie je gehört, dass wir auch nur zwei Milliarden Dollar gehabt hätten für Flüchtlinge, dass wir eine Milliarde Dollar gehabt hätten für die Leute, die als Flüchtlinge auf Lesbos oder Samos sitzen seit fünf Jahren, jeden Winter unbeachtet?
Dafür haben wir kein Geld. Aber für Rüstung allemal."
"Da hat Mahatma Ghandi ohne Zweifel recht. Der Friede kommt nicht aus der Motivation der Angst, im Gegenteil, einzig aus der Stärke der eigenen Person. Durch die Treue zu sich selber, durch den Mut, ein eigenes Gewissen zu haben. Auf Indisch: Satyagraha (beharrliches Festhalten an der Wahrheit).
„Denke selber“ hätte Kant gesagt, „bleibe du selber“ hat Gandhi gesagt.
Der Widerstand gegen die Bereitschaft zum Krieg und zur Rüstung für den Krieg liegt eigentlich nur darin, sich nicht länger einschüchtern zu lassen. Und das wäre die Kampagne am heutigen Mittag: Wir müssten den uns Regierenden erklären:
Wir lassen uns von euch nicht länger ins Bockshorn jagen durch immer neue Schreckensszenarien wie „Der Russe kommt!“, wie „Der Chinese kommt!“
Dass ihr kommt, ist schlimm genug!
Und jetzt machen wir euch da oben Angst, weil wir uns keine Angst mehr machen lassen.
Wir wollen den Todeskreislauf der ständigen Eskalation, wer kann noch effizienter, besser und umfänglicher morden, ein für allemal beseitigen. Die uns Vertretenden haben die Pflicht, sich zueinander zu setzen und über ihre Ziele, ihre Interessen verträglich zu verhandeln.
Und was Sie in Form der NATO haben, ist nicht nur eine unendliche Spirale der Rüstung, sondern auch der Propaganda imperialistischer Machtdurchsetzung.
Wer bedroht denn da wen, ganz simpel?
Die US-amerikanische Politik ist gestützt auf über 750 Militär-Stationen rund um den Globus."
Das ist das Programm von allem, was kam. Ein Krieg nach dem anderen im Nahen Osten.
Seit 2001 haben die USA 7 islamische Staaten zerbombt, nicht die Russen.
Aber man wollte sich alles aneignen, was Russland nicht mehr aktiv verteidigen wird. Und da sitzen jetzt heute wir. Afghanistan ist gerade misslungen, aber Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan, die Südflanke. Das Baltikum sowieso. Und jetzt zusätzlich noch zwei neue Staaten, über 1000 km Grenzlänge nach Schweden und Finnland: Raketen können wir genau dahin stellen.
Stellen Sie sich vor, was wäre, wenn Russland versucht hätte, ein zweites Mal eine Kuba-Krise heraufzubeschwören oder in Venezuela, Nicaragua, Bolivien Militärstützpunkte gegen die USA errichten würde, wir hätten genau dieselbe Krise wie damals 1962 auf Kuba. Das Strategic Air Command war damals bereits in der Luft mit Atombomben zum Angriff. America first! Das lässt sich nicht bedrohen, wir sind stark, wird Herr Stoltenberg als Chef der NATO sagen. Und wir werden keinen Zentimeter zurückgehen. Wir gehen lieber hunderte von Kilometern vorwärts gegen Russland, aber das wäre keine Bedrohung; es wäre ja ein Missverständnis zu glauben, das wäre nur Machtausdehnung, es ist vielmehr die Antwort auf Putins Versuch, das Sowjetimperium wiederherzustellen.
Gegen diese offiziellen Narrative müssen wir uns wehren.
Wir werden nicht von Russland bedroht.
Es wird uns eine Gefahr halluziniert, die zu keinem anderen Zweck als der strategischen Geopolitik der USA und ihrer Machtausdehnung dient.
Dass es anders geschildert wird, hindert nicht daran, dass es so ist.
Es gibt gerade von den Grünen heute ein Argument jenseits von Angst, aufgeblasenem Machtwillen und der Beanspruchung des Imperialismus, das lautet: Uns gehört die Welt und keinem andern.
Weswegen? Weil wir Amerikaner sind, weil wir "die Guten" sind, weil wir "first" sind und weil wir, die Europäer, mitzumachen haben..."