"Das neue Jahr startet so düster, wie das alte geendet hat: In und um Europa wüten Kriege. Und die Folgen sind auch für uns gravierend...
Erwartet uns tatsächlich ein weiteres, desaströses Kriegsjahr? Wie wirken sich die zunehmenden Spannungen zwischen den Großmächten auf Europa aus? Geht es mit unserem Wohlstand und unserer Sicherheit weiter bergab? Oder steht der Westen angesichts der Europa- und US-Präsidentschaftswahlen vor einem Richtungswechsel? Welche Rolle spielt China? Und wie ist Frieden machbar?"
Darüber diskutiert Moderator Michael Fleischhacker mit diesen Gästen:
• Brigadegeneral a.D. Erich Vad, ehem. Berater von Angela Merkel
• Berthold Sandtner, Militärstratege
• Susanne Weigelin-Schwiedrzik, Sinologin
• Veit Dengler, Medienunternehmer
• Josef Cap, langjähriger SPÖ-Politiker
Ausschnitte:
Erich Vad: "Das heißt nicht, dass wir aufhören sollten, die Ukraine zu unterstützen. Aber wir müssen doch darüber hinausgehen und fragen: Wie kommen wir aus diesem Konflikt raus? Wenn es militärisch keine Lösung gibt, dann muss sie doch im Rahmen der Diplomatie und Politik gesucht werden."
Berthold Sandtner: "Ich bin bei Ihnen: militärisch wird es sich nicht lösen lassen."
Michael Fleischhacker: "Aber kann die Alternative dazu der unendliche Krieg sein?"
Berthold Sandtner: "Ein eingefrorener Konflikt?"...
Josef Cap: "Dann sprechen wir`s doch aus: entweder ich akzeptiere genau diese Situation, es wird ein Perpetuum Mobile, das sinnlose Sterben geht weiter - dann brauch` ich einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen und werde möglicherweise akzeptieren müssen, dass Teile der Ukraine... weiter bei den Russen bleiben. Oder wir sagen: jetzt schaltet sich die NATO ein, jetzt marschiert die USA ein, jetzt kommt der Nuklearkrieg. Das sind genau die zwei Alternativen. Und die dritte ist: einfach weitersterben, sinnlos weitersterben. - Im Senat, im Kongress, überall denken sie schon anders... und ich finde, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zynisch werden. Wir sitzen hier in einem geheizten Raum, während dort gestorben, gestorben, gestorben wird. Ich bin kein Pazifist in dem Sinn, aber ich finde, das ist unerträglich."
Susanne Weigelin-Schwiedrzik: "Zum Beispiel im Koreakrieg: genau die Phase, in der dieser Krieg ein Abnutzungskrieg war, war die Phase, in der die meisten Soldaten und Menschen unter der Zivilbevölkerung gestorben sind."
zu B. Sandtner: "Sie sagen so schön: der Konflikt wird eingefroren. Was heißt denn "wird eingefroren"? Ohne, dass Menschen entscheiden, dass dieser Konflikt nicht mehr militärisch weitergeführt wird, wird er auch nicht eingefroren..."
Michael Fleischhacker: "Heißt: ein Waffenstillstand."
Susanne Weigelin-Schwiedrzik: "Ja... Ein Konflikt friert nur dann ein, wenn die entsprechenden Entscheidungsträger in den unterschiedlichen Ländern die Entscheidung getroffen haben, dass er einfrieren muss... De facto entscheiden die Amerikaner..."
Michael Fleischhacker: "Ist ein Einfrieren dieses Krieges in Form eines Waffenstillstandes... überhaupt möglich?"
Erich Vad: "Ich teile die Ansicht, dass letztendlich die Schlüssel für Frieden und auch für Krieg in Washington und Moskau liegen. Kiew hat da wenig Mitspracherechte, die EU auch nicht, Berlin auch nicht, Paris auch nicht. Das ist einfach machtpolitisch so... Und Trump hat schon gesagt, er beendet das Ganze..."
Michael Fleischhacker: "..in 24 Stunden geht das..."
Erich Vad: "Naja, so schnell geht das sicherlich nicht. Aber man darf nicht vergessen: Afghanistan. Wir waren 20 Jahre dort, in meiner Zeit im Kanzleramt war das der Schwerpunkt überhaupt. Und in dem Moment, wo Amerika gesagt hat "wir gehen da raus" - und wir haben mit den Taliban verhandelt - war Schluss, Feierabend. Und deswegen müssen wir Europäer uns auch perspektivisch anders aufstellen... Wir müssen einrechnen, dass auch Biden das vielleicht im Wahlkampf abräumen wird... Wir haben im Sommer, 1. Juli, den großen NATO-Gipfel in Washington. Ich glaube nicht, dass es dort heißen wird: Jetzt erst recht."
Susanne Weigelin-Schwiedrzik: "Das geht innenpolitisch überhaupt nicht. Dann braucht der Herr Biden gar nicht mehr anzutreten."...
Susanne Weigelin-Schwiedrzik: "Haben Sie sie schon mal gefragt? Warum sind denn so viele Ukrainer außerhalb des Landes, wenn alle doch der Meinung wären, dass man unbedingt kämpfen muss? Das kann doch irgendwie nicht sein... Ich finde das normal, dass sie - genauso wie wir - anfangen, darüber nachzudenken, wie man aus diesem Krieg herauskommt. Woher nehmen Sie eigentlich das Recht, zu behaupten, dass die Menschen in der Ukraine bereit wären, unendlich diesen Krieg zu führen? Wo deren Männer Tag für Tag sterben?"...
Josef Cap: "Und es geht nicht nur um die ukrainische Bevölkerung - natürlich ist das das Wichtigste..."
Veit Dengler: "Klar, wir können sie fallen lassen."
Josef Cap: "Nein! Fallenlassen? Dann sagen Sie ehrlich, Sie wollen den Dritten Weltkrieg haben. Dann sagen Sie`s doch endlich!
Das ist doch die Quintessenz: entweder das endlose Perpetuum-Sterben, nochmal Hunderttausende..." - Unterbrechung, Streit - "Das empört mich einfach! Mich empört es, wenn da so einfach... Unmenschliche Statistiken: da sterben "halt" nochmal Zehntausend und nochmal Fünftausend... Schicksale! Menschenleben! Ehrlich gesagt: das halte ich einfach nicht aus! Ich will so nicht über dieses Problem diskutieren."...
Erich Vad: "Herr Dengler, wenn wir jetzt anfangen, die Welt in Diktaturen und Demokratien aufzuteilen, dann haben wir eine Neuauflage des Kalten Krieges. Und das ist ja auch nicht die Realität. Der ganze globale Süden, die BRICS-Staaten formieren sich neu. Es bringt uns im Westen auch nicht weiter, wenn unsere Außenministerin sagt "Xi ist ein Diktator"... Politik fängt ja da für mich erst an, aus diesem Schwarz-Weiß-Schema rauszukommen. Das sind Narrative, die führen in den nächsten Krieg, wenn Sie das konsequent weiterdenken... Wir können nicht so tun, als wären wir hier die allein Seligmachenden und das westliche Lebensmodell ist das alleinige. Das werden Andere auch nicht akzeptieren..."
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