Ukraine-Krieg zwingt Bundeswehr zu Neuausrichtung und Wiederaufbau, aber zu langsam

Veröffentlicht am 22. April 2023 um 16:10

Erich Vad, Brigadegeneral a.D., veröffentlichte kürzlich diese folgende, sehr interessante und gleichsam ernüchternde Analyse zum Thema Bundeswehr im Kontext der neuen Sicherheitspolitik auf der Website des "Belfer Center for Science and International Affairs" der Harvard Kennedy School:

Dienstag, 20. April 2023, Erich Vad

Seit Russland im Februar 2022 seinen umfassenden Angriff auf die Ukraine gestartet hat, ist Deutschland einer der größten Waffenlieferanten des ukrainischen Militärs geblieben – mit Kosten in Milliardenhöhe. Diese Ausgaben und die dahinter stehenden Entscheidungen haben mindestens zwei Dinge deutlich gemacht: große Veränderungen in der deutschen Sicherheitspolitik und die schwierigen Balanceakte, vor denen die Führung des Landes steht. Politisch gesehen ist die wichtigste Konsequenz des anhaltenden Krieges in der Ukraine die Erkenntnis, dass die kollektive Verteidigung Europas – wie auch die eigene Verteidigung jedes Staates – wieder Vorrang haben muss. Für Deutschland sind die Herausforderungen, dies in der Praxis zu erreichen, sowohl wirtschaftlicher als auch politischer Natur. Erstens muss Berlin nicht nur zur Stärkung der ukrainischen Verteidigung beitragen, sondern auch herausfinden, wie es seine eigenen nationalen Verteidigungsfähigkeiten und Sicherheitsverpflichtungen gegenüber Verbündeten finanzieren kann, die jetzt zu kurz kommen. Gleichzeitig wird Deutschland einige seiner früheren politischen Beziehungen neu ausbalancieren müssen – nämlich die Abhängigkeit der Sicherheit von den USA, kombiniert mit wachsenden wirtschaftlichen Beziehungen zu seinem Rivalen China und der Energieabhängigkeit von seinem Gegner Russland.

Was der Krieg über den Zustand und die Schwerpunkte des deutschen Militärs offenbart hat

Wenn es um die militärische Unterstützung des Westens für die Ukraine geht, ist Deutschland der drittgrößte Geber dieser Unterstützung. Die deutschen Ausrüstungslieferungen an die Ukraine im Jahr 2022 umfassten Militärgüter im Gesamtwert von 2 Milliarden Euro (~2,2 Milliarden US-Dollar), darunter unter anderem Mehrfachraketenwerfer, Flugabwehrpanzer, selbstfahrende Haubitzen und Luftverteidigungssysteme. Für 2023 sind weitere Ausgaben in Höhe von 2,3 Mrd. € (~2,5 Mrd. $) geplant. Ende März bestätigte Bundeskanzler Olaf Scholz, dass die ukrainischen Streitkräfte 18 moderne Kampfpanzer des Typs Leopard 2A6 aus Deutschland erhalten werden. Anfang dieses Monats erlaubte Berlin Warschau, ehemalige sowjetische MiG-29-Kampfflugzeuge zu reexportieren, die es vom ostdeutschen Militär geerbt hatte. Und zuletzt bestätigte Kiew, dass Deutschland das erste Patriot-Luftverteidigungssystem der Ukraine geliefert hat.

Diese Großzügigkeit hat sich spürbar auf die Fähigkeiten der ukrainischen Streitkräfte ausgewirkt, ebenso wie die Militärhilfe, die Kiew von mehreren anderen NATO-Ländern erhalten hat. Es ist jedoch auch mit erheblichen Kosten für die eigenen Verteidigungsfähigkeiten verbunden. Ein Grund, warum Scholz' Leopard-Ankündigung ein bedeutender und umstrittener Schritt war, war, dass diese Panzer aus dem unmittelbaren Bestand der Bundeswehr stammen, der so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden muss. Auch andere deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine haben den Bestand der Bundeswehr stark beeinträchtigt und das Erreichen der anderen deutschen Sicherheitsziele erschwert. Tatsächlich läuft Deutschland nun Gefahr, die NATO-Verpflichtungen und den notwendigen Aufbau der eigenen Verteidigungsfähigkeiten zu vernachlässigen.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Bedrohungswahrnehmung in Deutschland grundlegend verändert. Erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als 30 Jahren liegt der Fokus der deutschen Sicherheitspolitik wieder auf der Verteidigung der NATO und Deutschlands selbst. Die Ära der deutschen Friedensmissionen im Ausland – zuletzt und vor allem auf dem Balkan, in Mali und in Afghanistan, wo erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wieder deutsche Soldaten in klassische Gefechte mit Verlusten verwickelt waren – scheint vorbei zu sein. Doch während sich der Fokus der deutschen Sicherheitspolitik ändert, fehlt der Bundeswehr die Fähigkeit, diesen Wandel zu unterstützen. Tatsächlich fehlt es der Bundeswehr an fast allem – angefangen bei den neuen Rekruten, die sie braucht, um ihre militärische Personalstärke auszubauen.

Zum einen fehlt es an gepanzerten und mechanisierten Einheiten, die im Laufe der Jahre stark zurückgefahren wurden, an Munition und an Schwächen in der Logistik der Depotbevorratung. Viele Einrichtungen, darunter auch Kasernen, sind in einem schlechten Zustand. Die deutsche Rüstungsindustrie muss wieder für die Serienproduktion fit gemacht und die Beschaffung von Rüstungsgütern beschleunigt werden, und der kürzlich ernannte deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius hat dazu erste Maßnahmen ergriffen. Bislang behindern jedoch zahlreiche bürokratische Hürden – wie Richtlinien zu EU-weiten Ausschreibungen, die Vergabe und Annahme von Aufträgen sowie die finale Freigabe von produziertem Material – seine Bemühungen.

Auch die Einrichtung eines Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro (~ 110 Milliarden US-Dollar) für militärische Sanierungen wird in seiner jetzigen Form kein Wendepunkt sein. Eine Verdreifachung dieses Fonds wäre aus meiner Sicht notwendig, um die Bundeswehr wieder einsatzbereit zu machen. Allein die notwendige Munitionsbeschaffung würde mindestens 20 Milliarden Euro (~22 Milliarden US-Dollar) kosten, während dringende Reparaturen für die marode Infrastruktur zusätzliche 50 Milliarden Euro (~55 Milliarden US-Dollar) erfordern würden. Und neue Fregatten, Panzer und F35-Kampfflugzeuge müssen noch bezahlt werden.

Jenseits dieser Hardware-Risiken liegt eine noch größere Bedrohung: die des gravierenden Personalmangels. 1990 – also nach der deutschen Wiedervereinigung und am Ende des Kalten Krieges – zählte die Bundeswehr rund 460.000 Soldaten. Seitdem wurde es schrittweise verkleinert. Das Zwei-plus-Vier-Abkommen zur Wiedervereinigung legte eine Obergrenze von 370.000 Soldaten für die Bundeswehr fest. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 sank die Personalstärke erstmals auf unter 200.000 Soldaten. Heute bilden rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten, darunter 22.500 Soldatinnen und Soldaten, das aktive Militärpersonal der Bundeswehr, bis 2031 sollen es rund 203.000 sein.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Bundeswehr bis auf die Knochen zerschnitten. Unterdessen bleibt die Erfüllung des Verteidigungsauftrags der Bundeswehr zweifelhaft und realistischerweise wird es Jahre dauern, bis sich dies ändert.

Es wird Jahre dauern, bis die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr wiederhergestellt ist

Deutschland glaubte es sich in der Vergangenheit leisten zu können, die Landes- und Bündnisverteidigung zu vernachlässigen, weil die Bedrohungslage eine ganz andere war. Im Nachhinein war das politisch kurzsichtig. Das grundlegende Versagen bestand darin, dass Deutschland einen Großteil seiner nationalen und bündnismäßigen Verteidigungssicherheit "importierte", hauptsächlich aus den USA. Gleichzeitig erwirtschaftete es einen beträchtlichen Teil seines Reichtums in China, dem geostrategischen Rivalen der USA und des Westens im weiteren Sinne, und importierte auch billige Energie aus Russland.

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, allen voran in Afghanistan, dominierten das politische Rampenlicht und mussten weitermachen, während der Rest der Bundeswehr keine Rolle zu spielen schien. Personal und Material wurden aus Hunderten von Bundeswehrstandorten für die laufenden Auslandseinsätze geschmuggelt. Währenddessen konzentrierte sich die Rüstungsbeschaffung auf gepanzerte Transportfahrzeuge und nicht auf Kampfpanzer und Schützenpanzer. Dies und die immer kleiner werdenden Mengen an neuem Gerät führten auch zu Umverteilungs- und Verlagerungsmaßnahmen seitens der Rüstungsindustrie.

Jede vergangene Militärreform in Deutschland zielte nicht darauf ab, die Bundeswehr in Bezug auf die Landes- und Bündnisverteidigung besser zu machen – sondern die Truppe kleiner und billiger zu machen. Am Ende hat die Bundeswehr weniger kampfbereite Panzer als die Schweiz und weniger Schiffe als die Niederlande. Diese widersprüchliche Sicherheitspolitik, die zuweilen von Doppelmoral geprägt ist, wurde wiederholt und zu Recht kritisiert und geht endlich zu Ende. Wenn also die deutsche Kanzlerin von einer Zäsur spricht, geht es darum, diesem überholten Denken ein Ende zu setzen und die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands im Rahmen der NATO so schnell wie möglich wiederherzustellen.

Der überstürzte Ausstieg aus der Wehrpflicht im Jahr 2011 verschärft die Personalsituation der Bundeswehr bis heute. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht wird diskutiert, ist aber nicht sehr realistisch, obwohl in Frontstaaten wie Litauen eine ähnliche Politik umgesetzt wurde. Die damalige Aussetzung der Wehrpflicht wurde von der Militärführung unterstützt, weil sie Zehntausende Berufs- und Zeitsoldaten – die zuvor als Ausbilder an die Wehrpflicht gebunden waren – für den Einsatz in Afghanistan oder auf dem Balkan freisetzte. Dabei kam es jedoch zu massiven Personalproblemen: Heute sind rund 20.000 Stellen in der Bundeswehr unbesetzt. "Die Herausforderung für das Personal ist noch größer als für die Ausrüstung", sagte Eva Högl, die parlamentarische Beauftragte für die Streitkräfte, Anfang des Monats. Sie wies darauf hin, dass die Zahl der Bewerbungen bei der Bundeswehr im vergangenen Jahr um 11 Prozent gesunken sei. Die deutschen Pläne, bis 2031 20.000 weitere Soldaten zu rekrutieren, sind kaum realisierbar. Und derweil erlebt die Bundeswehr ein Zusammentreffen von Missmanagement, Funktionsstörungen und einem Mangel an klaren Verantwortlichkeiten in der Bundeswehr, wie die jüngsten Berichte der Militärkommissare sehr deutlich machen.

Die Hindernisse, mit denen wir heute konfrontiert sind, sind nicht die der Aufrüstung, sondern die Sanierung und Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft, die Jahre dauern wird.

Was die Zukunft für die NATO bereithalten sollte

Es ist absehbar, dass die NATO – einschließlich neuer Bündnispartner wie Schweden (noch nicht akzeptiert) und Finnland (bereits akzeptiert) – eine völlig neue Frontverteidigungslinie gegen Russland und im Hintergrund auch gegen China aufbauen muss – vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer. Dies ist eine lange Frontlinie, die notfalls verteidigt werden muss. Die NATO-Russland-Grundakte von 1997, die die Unterzeichner verpflichtet, auf die dauerhafte Stationierung substanzieller Kampftruppen zu verzichten, hängt an einem seidenen Faden, und es ist unklar, ob sie überleben wird.

In jedem Fall wird Deutschland bereit sein müssen, noch mehr militärische Kräfte in potenzielle Konfliktregionen in Osteuropa zu entsenden, als es dies während des Kalten Krieges getan hat. In Zukunft wird es darum gehen, die "Frontstaaten" zu stärken. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Ukraine einer von ihnen sein – oder vielleicht sogar schon – wenn es um den Vorabeinsatz von Ausrüstung, Munition und Material geht. Gemäß den NATO-Richtlinien muss Deutschland bis 2025 30.000 Soldaten und 85 Flugzeuge und Schiffe in hoher Bereitschaft für die Verteidigung Europas durch die NATO bereitstellen. Zu diesem Zweck müsste Deutschland bis dahin mindestens eine mechanisierte Division aufbauen. Zudem müsste sie eine Brigade für die baltischen Staaten, die die NATO nun von Tag 1 an verteidigen können will, mit hoher Bereitschaft stellen. Ob dies realistisch ist, bleibt abzuwarten. Verteidigungsminister Pistorius hat es sich jedenfalls zur Priorität gemacht, eine Division zu stationieren und die Ostflanke der Nato zu schützen. Es wird eine enorme Leistung sein. Darüber hinaus können Deutschland und seine europäischen Verbündeten aufgrund der Ambitionen Washingtons im Osten nicht mehr auf unseren wichtigsten Verbündeten, die USA, zählen, deren Schwerpunkt auf dem Indopazifik liegt.

Darüber hinaus zeigt der Verlauf des russisch-ukrainischen Krieges, dass die östlichsten Mitgliedstaaten der NATO – insbesondere Polen und in Zukunft sicherlich Finnland – eine strategisch wichtigere Rolle im transatlantischen Bündnis spielen werden. Deutschland ist nach wie vor ein wichtiger logistischer Knotenpunkt für die europäische Verteidigung der NATO, aber es ist kein zentraler Frontstaat mehr wie während des Kalten Krieges.

Den europäischen Verbündeten bleibt wenig Zeit, die konventionelle Verteidigung Europas selbst zu organisieren, und Deutschland ist keine Ausnahme von dieser Realität. Der russisch-ukrainische Krieg hat unterschiedliche Bedrohungswahrnehmungen und Interessen unter den europäischen Verbündeten aufgezeigt, die in Zukunft ausgeglichen werden müssen. Die neuen Frontstaaten gegenüber Russland – allen voran Polen und die baltischen Staaten – zeigen wenig Kompromissbereitschaft, während vor allem Frankreich den Krieg so schnell wie möglich durch Verhandlungen beenden möchte.

Während die NATO-Strategen eine erhebliche Steigerung der militärischen Fähigkeiten des Bündnisses anstreben, sollten sie auch bedenken, dass die Integration von künstlicher Intelligenz als universell anwendbare Technologie und Robotik das Wesen der Kriegsführung verändern wird. Wenn wir als Militärmacht auch in Zukunft mithalten wollen, brauchen wir Technologieführerschaft in der Luft, auf und unter Wasser, auf der Erde, im Weltraum und vor allem im Cyberspace. Die NATO muss sich darauf einstellen, und das bedeutet, dass sie die militärischen Beiträge, die sie von Europa fordert, anpassen muss. Mit der Digitalisierung wird der Bereich Raumfahrt für alle großen Weltmächte immer wichtiger. Satelliten sind eng mit dem globalen Kommunikationsnetz verbunden. Die jüngsten Entwicklungen bei Hyperschallwaffen, die alle konventionellen Verteidigungssysteme durchdringen können, erhöhen die Relevanz weltraumgestützter Beobachtungs- und Cyberfähigkeiten. Ohne Weltraumsicherheit können wir uns nicht auf die digitale Sicherheit auf der Erde verlassen. Entscheidend wird letztlich die Technologieführerschaft in der vernetzten Digitalisierung sein. Europa kann dies jedoch nur gemeinsam mit den Vereinigten Staaten erreichen – nicht getrennt oder autonom von ihnen.

Grenzen der "Selbstverteidigung" der EU

Der französische Präsident Emmanuel Macron fordert zwar eine friedliche Lösung des russisch-ukrainischen Krieges, setzt sich aber auch für größere Selbstverteidigungsfähigkeiten für Europa ein, das meiner Meinung nach in Bezug auf Sicherheit und militärische Fähigkeiten noch nie so abhängig von den USA war. Würden Deutschland und andere EU-Mitglieder tatsächlich dem Ruf Frankreichs folgen und versuchen, Europa militärisch aus eigener Kraft aufzubauen, d.h. losgelöst von und unabhängig von den USA, müssten sie zwischen vier und sechs Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben – im Vergleich zu den zwei Prozent, die die NATO derzeit von ihren Mitgliedern verlangt. Gegenwärtig sehe ich nicht genügend politischen Willen unter den EU-Mitgliedern, diese Art von Geld auszugeben, vor allem, wenn die einfachen Europäer erfahren, was die oft wiederholte Forderung nach mehr europäischer "strategischer Autonomie" tatsächlich kosten würde.

Die EU-Staaten geben bereits jedes Jahr rund 200 Milliarden Euro (~219 Milliarden US-Dollar) für Verteidigung aus. Zu Marktwechselkursen ist das etwa 3-mal so viel wie der russische Haushalt und kommt dem chinesischen Haushalt nahe, obwohl anzumerken ist, dass der Unterschied hier weniger dramatisch wäre, wenn man die Verteidigungsausgaben dieser Länder mit Blick auf die Kaufkraftparität (KKP) messen würde. Und doch nimmt niemand die Europäer im militärischen Bereich ernst. Was sind die Gründe dafür? Erstens verschwenden die EU-Staaten enorme Summen im Verteidigungssektor durch unzählige Doppelspurigkeiten von Produktionslinien, Rüstungsprogrammen, nationalen Zertifizierungen und allgemeinem Egoismus – ganz zu schweigen von einem insgesamt fehlenden Mangel an Synergien. Zusammengenommen führen diese Faktoren zu einer ständigen Verschiebung der Sicherheitspolitik zum Nachteil Europas – und behindern seine Fähigkeit, militärisch und autonom zu handeln. Zweitens ist die EU noch weit davon entfernt, eine Gemeinsamkeit bei der militärischen Ausrüstung, der gemeinsamen Logistik oder einer kohärenten Rüstungskooperation zu erreichen. Drittens hinkt die EU den USA in Bezug auf die militärische Digitalisierung, die Nutzung des Weltraums, die Kommunikation und die Aufklärung und insbesondere bei den strategischen Lufttransportfähigkeiten weiterhin hinterher.

Schlussfolgerung

Die russische Aggression gegen die Ukraine und die Reaktion Deutschlands darauf, einschließlich der Bereitstellung von Militärhilfe, die zu einem großen Teil aus dem unmittelbaren Bestand der Bundeswehr an Kiew stammt, haben den vernachlässigten Staat und die veraltete Ausrichtung der Bundeswehr deutlich gemacht. Der Krieg hat zu einer dringend notwendigen Verlagerung dieses Schwerpunkts von Friedensmissionen hin zur Verteidigung der NATO und Deutschlands selbst geführt. Ebenso wichtig ist, dass die Bundesregierung begonnen hat, in die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu investieren. Aber das, was bisher versprochen wurde, reicht nicht aus, denn es wird Jahre dauern, bis diese Bereitschaft im derzeitigen Tempo wiederhergestellt ist. Noch wichtiger ist, dass Deutschland es nicht alleine schaffen kann. Andere europäische NATO-Mitglieder sollten ebenfalls den Einsatz erhöhen, um sicherzustellen, dass ihre kollektiven Verteidigungsfähigkeiten angesichts der neuen Bedrohungen angemessen sind, zumal sich die USA auf den Indopazifik konzentrieren. Trotz dieser Fokussierung werden die USA jedoch unverzichtbar bleiben, wenn es um die Verteidigung Europas geht. Es ist klar, dass Europa ohne die Vereinigten Staaten Mächte wie China oder Russland oder sogar NATO-Partner wie die Türkei strategisch nicht ausbalancieren kann. Europa wird sich meiner Ansicht nach auf absehbare Zeit weiterhin auf Amerikas nuklearen Schutzschirm, seine digitale, technologische und maritime Führungsrolle und sein Fähigkeitsspektrum im Cyber- und Weltraum verlassen. Letztlich wird die Verbesserung der militärischen Fähigkeiten allein Europa weder jetzt noch längerfristig sicher machen. Daher sollten Deutschland, Frankreich und andere EU-Mitglieder ihre Kräfte bündeln, um eine politische Initiative zu ergreifen, die darauf abzielt, den Krieg zu beenden und eine nachhaltige Lösung des Konflikts zu finden.

Dr. Erich Vad ist Gründer und Inhaber von Erich Vad Consulting. Er ist General a.D. der Bundeswehr und war von 2006 bis 2013 militärpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Original: russiamatters.org, Erich Vad, 20.04.2023

Herzlichen Dank für die Erlaubnis zur Wiederveröffentlichung!

Foto geteilt von Lonpicman unter einer CC BY 2.0-Lizenz.

By Bundeswehr-Fotos - originally posted to Flickr as Leopard 2 A5, CC BY 2.0, commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11586260


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