Laut einer Legende aus dem 19. Jahrhundert treffen sich die Wahrheit und die Lüge eines Tages.
Die Lüge sagt zur Wahrheit: „Heute ist ein wunderbarer Tag“! Die Wahrheit blickt in den Himmel und seufzt, denn der Tag war wirklich schön. Sie verbringen viel Zeit miteinander und kommen schließlich neben einem Brunnen an.
Die Lüge erzählt der Wahrheit: „Das Wasser ist sehr schön, lass uns zusammen baden!“ Die Wahrheit, erneut misstrauisch, testet das Wasser und entdeckt, dass es wirklich sehr nett ist. Sie ziehen sich aus und beginnen zu baden.
Plötzlich kommt die Lüge aus dem Wasser, zieht die Kleider der Wahrheit an und rennt davon. Die wütende Wahrheit kommt aus dem Brunnen und rennt überall hin, um die Lüge zu finden und ihre Kleidung zurückzubekommen.
Die Welt, die die Wahrheit nackt sieht, wendet ihren Blick mit Verachtung und Wut ab.
Die arme Wahrheit kehrt zum Brunnen zurück, verschwindet für immer und versteckt darin ihre Scham.
Seither reist die Lüge um die Welt,
verkleidet als die Wahrheit,
befriedigt die Bedürfnisse der Gesellschaft,
denn die Welt hat auf keinen Fall den Wunsch,
der nackten Wahrheit zu begegnen.

"La Verité" (Die Wahrheit) ist ein allegorisches Gemälde des französischen Künstlers Jean-Léon Gérôme aus dem Jahr 1896. Das Sujet des Bildes beruht auf einem Aphorismus des Philosophen Demokrit: „Von der Wahrheit wissen wir nichts, denn die Wahrheit ist in einem Brunnen.“ Die Nacktheit der Frauengestalt erklärt sich auch aus dem international gebräuchlichen Ausdruck la vérité nue, „die nackte Wahrheit“.
Kommentar hinzufügen
Kommentare
DIE WAHRHEIT
Jeder hat die Seine parat,
verteidigt sie mit Wort und Tat.
Von verbohrten Demagogen
werden Wahrheiten verbogen.
Wir sind von Fake News umgeben,
müssen mit Staatslügen leben.
Wir alle lieben die Wahrheit,
und sind doch zu lügen bereit.
Die Wahrheit ist ein hohes Gut,
doch niemand hat sie absolut.
Der Weg zur Einsicht ist oft weit,
Wahrheit erfordert manchmal Mut.
Man kann an so vieles glauben,
einem Gott Vertrauen schenken;
doch sollte man sich erlauben,
zuweilen selber zu denken.😉
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus der Skatstadt
Lieber Rainer Kirmse,
vielen Dank für dieses schöne und sehr treffende Gedicht. Ich möchte insbesondere die beiden letzten Zeilen hervorheben, denn darin steckt ein positives Menschenbild, welches ich auch noch nicht verloren habe (siehe auch Kant). Und darüber hinaus gibt es doch wohl den sogenannten "gesunden Menschenverstand"...
Herzliche Grüße zurück, TS